Private Jüdische Schule in Bonn
Die Geschichte der
Privaten Jüdischen Schule in Bonn
Von 1934 bis 1942 befand sich an diesem Ort eine Private Jüdische Volksschule. Die Adresse lautete damals: Koblenzer Str. 32. Bis zu 90 Schülerinnen und Schüler aus allen Altersgruppen besuchten die Schule. Nicht nur deshalb verfolgte die Schule ein modernes, reformpädagogisches Konzept. Mehr über die Geschichte der Schule erfahren Sie hier.[i]
Fotoaufnahme vom Unterricht in der Privaten Jüdischen Schule, Koblenzer Straße 32, aus den 1930er Jahren
Die Schule befand sich in keinem gewöhnlichen Schulhaus, sondern war in den Räumen der Ludwig-Philippson-Loge untergebracht. Diese Bnei Brith Loge war nach dem bekannten Bonner Rabbiner Ludwig Philippson benannt. Dieser setzte sich dafür ein, dass Juden „Deutsche“ und „Juden“ sein konnten. Der 1843 in London gegründete Orden war dem Geist der Aufklärung verbunden.
Wer war Ludwig Philippson?
Rabbiner Ludwig Philippson, undatiert (gemeinfreies Foto) |
Ludwig Philipsson, geboren am 28. Dezember 1811 in Dessau, war ein bekannter liberaler Rabbiner, der in Berlin unter anderem bei Hegel Philosophie studiert hatte. Ab 1839 wurde er Rabbiner in Magdeburg, wo er einige Jahre später auch die Alte Synagoge einweihte. 1848 wurde er zum stellvertretenden Abgeordneten der gemäßigt liberalen Seite der Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Er gründete die „Allgemeine Zeitung des Judentums“, welche als Sprachrohr der jüdischen Reformbewegung galt und war neben Abraham Geiger und Salomon Neumann an der Gründung der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin beteiligt. Im Alter von 78 Jahren starb Ludwig Philippson am 29. Dezember 1889 in Bonn. Er ist in Bonn-Castell auf dem Jüdischen Friedhof beerdigt.
Wie kam es zur Gründung der Schule in den Räumen der Ludwig-Philippson Loge?
Ohne die antijüdische und antisemitisch-rassistische Bildungspolitik der Nationalsozialisten wäre es nicht zur Gründung der Schule gekommen. Otto Toeplitz, ein durch die Nationalsozialisten zwangsemeritierter Mathematikprofessor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, hatte die Initiative zur Gründung der Schule ergriffen.
Der Mathematikprofessor Otto Toeplitz, 1. August 1881 - 15. Februar 1940 (gemeinfreies Foto) |
Otto Toeplitz wollte eine jüdische Schule gründen, weil er darin die Chance sah, die Kinder an diesem Ort vor antisemitischen Übergriffen zu schützen. Die Private Jüdische Schule in Bonn war kein Einzelfall. Mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 hatten die Nationalsozialisten jüdische Lehrerinnen und Lehrer vom Schulbetrieb ausgeschlossen. Mit dem „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April 1933 wurde beschlossen, dass nur noch 5 Prozent der Schülerinnen und Schüler „nicht-arisch“ sein durften. Die Nationalsozialisten machten auch aus Kindern Feinde, die in Bonn als „Juden“ und „Deutsche“ geboren worden waren. Es machte keinen Unterschied, ob sich diese Kinder dem Judentum überhaupt noch zugehörig gefühlt hatten, ob ihre Eltern assimilierten gelebt hatten, orthodox, liberal oder keines von beidem – Wer Jude war und wer nicht, bestimmten die Nationalsozialisten anhand der Abstammung. Die Nationalsozialisten förderten ein separates jüdisches Schulwesen, um die „jüdischen“ Kinder von den nach ihrer Ideologie „deutschen“ Kindern zu trennen. Auf diese Weise stieg der Bedarf nach Jüdischen Schulen an und es kam zu Neugründungen durch private Schulträger oder die jüdischen Gemeinden. Zumindest zu Beginn der 1930er Jahre wurde in die Schulverwaltung der jüdischen Schulen von Seiten der Nationalsozialisten nicht eingegriffen und auch die Lerninhalte nicht kontrolliert. Da sich die Stadt weigerte, die Trägerschaft zu übernehmen, brauchte die Schule auch hier einen privaten Träger. Am 29. Dezember 1933 hatte die Jüdische Gemeinde bei der Stadt Bonn die Errichtung einer öffentlichen jüdischen Schule beantragt. Am 30. Januar 1934 musste der „Jüdische Kultur- und Schulverein für Bonn und Umgebung e.V.“ gegründet werden. Dieser Verein übernahm unter Leitung von Toeplitz am 4. April 1934 die Trägerschaft der Schule.
Ein besonderer Schulleiter: Hans-Herbert Hammerstein alias Yisrael Shiloni
Otto Toeplitz machte sich selbst auf die Suche nach einem geeigneten Schulleiter und reiste durch ganz Deutschland, um einen geeigneten Pädagogen zu finden. Die Wahl fiel auf Hans-Herbert Hammerstein, ein junger Berliner, der sich ganz den Prinzipien der Reformpädagogik verschrieben hatte.
10 Jahre vor seiner Ankunft in Bonn: Der junge Schulleiter im Jahr 1925 in Ostpreußen.[ii]
Otto Toeplitz fiel es nicht schwer, ihn zu überzeugen: er versprach dem Pädagogen vollkommene Freiheit der Unterrichtsgestaltung.
Portrait von Yisrael Shiloni, 1930, während seiner Zeit in Frankfurt
Yisrael Shiloni wurde 1901 in Berlin geboren. Zur Zeit der Schulgründung hieß noch Hans-Herbert-Hammerstein. Nach dem Ersten Weltkrieg und unter dem Eindruck des wachsenden Zionismus hatte sich Hammerstein dieser Bewegung verschrieben. Bei einem ersten Versuch 1927, in „Eretz Israel“ Fuß zu fassen, lernte er seine erste Frau Sophie kennen. Die beiden kamen nach Deutschland zurück, und Hammerstein arbeitete als Lehrer. Nach seiner Zeit in Bonn 1934 bis 1937 wurde Hammerstein Lehrer in Stettin. Nach der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde er ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert und misshandelt. Im Sommer 1939 floh er nach England, seiner Frau und den beiden Kindern gelang die rechtzeitige Flucht aber nicht mehr. Kurz nach Beginn des Krieges wurde die Stettiner Gemeinde nach Polen verschleppt und dort ausgelöscht. Wie auch die Familie Hammerstein. Hans-Herbert Hammerstein gelangte über das Dunera-Internierungslager in der australischen Wüste nach Palästina. Hier lernte er seine zweite Frau Miryam kennen, deren Namen „Shiloni“ er annahm. Den Namen „Israel“, den die Nationalsozialisten den deutschen Juden gegeben hatten, behielt er. In den 1980er Jahren kehrte er nach Bonn zurück und sprach über die Private Jüdische Schule im Interview.
Hier berichtet er über die Gründungsgeschichte der Schule aus seiner Perspektive:
Yisrael Shiloni berichtet im Jahr 1980 über die Geschichte der Privaten Jüdischen Volksschule in Bonn. |
Die Pädagogik
….Von geglückter Improvisation und Solidarität: Küchenstühle der „Rheinischen Möbelfabrik“ und Sportgeräte vom Arbeiter-Turnverein
Nachdem Hammerstein 1934 in Bonn ankam, ging alles sehr schnell. Die Schule hatte aber noch keine Ausstattung. Max Goldreich, Besitzer der Beueler „Rheinischen Möbelfabrik“ und Vater eines Schulkindes, stellte der Schule ein Sortiment Küchentische und Küchenstühle zur Verfügung. Diese wurden kreisförmig aufgestellt, damit sich die Schüler während des Unterrichts ansehen konnten und eine kreative Atmosphäre entstand.
Die Lernmaterialien wurden durch den Verein sowie Spenden der Eltern zur Verfügung gestellt. Zusätzlich entstand durch Stiftungen der Vereinsmitglieder eine eigene kleine Schulbibliothek.
Aber die Schule profitierte auch von der Solidarität der nicht-jüdischen Bonner Arbeiterschaft und erfuhr Solidarität in den Anfangsjahren. Direkt nach der Gründung wandte sich der Vorsitzende des Arbeiter-Turnvereins an Hammerstein und bot ihm seine Sportgeräte an: Spannreck, Barren, Kugeln, Reck. Der Verein hatte sich auflösen müssen und wollte nicht, dass die Gerätschaften den Nazis in die Hände fielen. Hier berichtet Hammerstein selbst darüber.
Die Küchenstühle wurden zwischendurch zur Gymnastik eingesetzt. Kreativität und freies Denken wurden mehr gefördert, als still zu sitzen. (Undatiertes Foto in der Gedenkstätte Bonn) |
Dass Hammerstein ein reformpädagogisches Konzept verfolgte, war einerseits sein großer Wunsch und andererseits auch notwendig in Anbetracht der äußeren Umstände. Die Anmeldungen zum Schulunterricht kamen von jüngeren Kindern im Alter von fünf Jahren, genauso wie ältere, im Oberstufenalter, die unmöglich zusammen unterrichtet werden konnten. Deshalb existierten zwei Klassen: Hammerstein unterrichtete die jüngeren Kinder und ein zweiter Lehrer, Bernhard Valier-Grossmann, übernahm die Klasse der älteren Schülerinnen und Schüler.
Hans-Herbert Hammerstein mit seiner Schulklasse. Der Schulunterricht fand nie frontal statt. (Undatiertes Foto in der Gedenkstätte Bonn) |
Grossmann und Hammerstein waren ein ungleiches, aber gutes Team: während Hammerstein eher zionistischen Überzeugungen anhing und den Kindern jüdische Religion und Tradition vermitteln wollte - auch um ihnen Mut für eine mögliche Emigration zu machen - war Grossmann derjenige, der über die jüdischen Traditionen als orthodoxer frommer Jude besser Bescheid wusste. Hammerstein selbst wollte Grossmann genau deshalb an die Schule holen. Grossmann lehnte jedoch zunächst ab: die modernen Unterrichtsmethoden erschienen ihm nicht geeignet zu sein und er war skeptisch. Deshalb unterrichtete Sophie Hammerstein, die Ehefrau von Hans-Herbert-Hammerstein, an der Schule Handarbeit, Hebräisch und Mädchenturnen.
Die von Sophie Hammerstein unterrichteten Mädchen (Undatiertes Foto des Unterrichts in der Gedenkstätte Bonn)
Einige Wochen nach der Schulgründung konnte Grossmann doch überzeugt werden und wurde Lehrer der älteren Klassen. Hammerstein und Grossmann wurde die Schule zur Herzensangelegenheit: die Kinder sollten hier einen angstfreien Raum zum Lernen haben. Hammerstein und Grossmann erstrebten die weitestgehende Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit der Kinder. Die Größeren sollten den Kakao kochen, der in der großen Pause ausgeteilt wurde. „Die Räume sollten von uns selbst, zusammen mit den Kindern, gereinigt werden. Tägliche Gymnastik, barfuß, erforderte einen besonders sauberen Saal. Die Tische wurden weggerückt und der Boden gekehrt und feucht aufgewischt. Eine Dame wollte allerdings durchaus nicht zustimmen, daß ihr Kind “Dienstmädchenarbeit“ tue. Die Allermeisten waren aber erfreut über die Erziehung zur Aktivität und Verantwortung (Shiloni 1998:279).“
Undatiertes Foto einer Schulklasse in der Bonner Gedenkstätte |
VON „BON-BON“ zu BONN und Anschauungsunterricht an der Bahnschranke an der Weberstraße
Lesen lernten die Schulanfänger nach der „Ganzwort-Methode“. Hammerstein berichtet in seinen Erinnerungen: „Sie durften selbst vorschlagen, welches Wort sie zuerst wollten. – so schrieben wir BONBON. Und schon nach den ersten Tagen berichtete ein größerer Junge erfreut, daß sein sechsjähriges Brüderchen plötzlich auf dem Bahnhof gerufen hatte: ‘Auf dem grossen Schild dort steht ja geschrieben: BONN!‘. Er hatte die erste Hälfte von BONBON erkannt (Shiloni 1998, a.a.O.).“
Für den Naturkundeunterricht untersuchte man Bäume nahe der Schule, wie die Ahornbäume, deren Nachkommen noch heute dort stehen, oder er ging mit den Schülern an den Rhein und lernte über die Umgebung. Die Bahnschranke an der Weberstraße wurde für den Anschauungsunterricht besucht, wie man dem Lehrplan von 1938 entnehmen kann.
Auszug aus dem Lehrplan von 1938
Hier können Sie den gesamten Lehrplan 1938 finden.
1935: Die Oberstufe organisiert eine Ausstellung über das Judentum in den Räumen der Schule
Die Lehrer wollten den Kindern, aber auch den Eltern, die jüdische Welt wieder nahebringen und veranstalteten in den Räumen der Schule 1935 eine Ausstellung. Grossmann und Hammerstein ließen die Oberstufe recherchieren und nach jüdischen Gegenständen Zuhause suchen: sie sammelten Fotos von Fußballspielen in Palästina, die sie bei Reisen gemacht hatten, genauso wie alte Gebetbücher, Chanukkia usw. an Gegenständen ein. Die größeren Schüler, vorher gut instruiert, ließen sich die Bilder, Geräte und Bücher von jüdischem Interesse leihweise geben. Sie halfen auch bei der Herrichtung der Ausstellung und dienten dann auch den Besuchern als „Fremdenführer“.
Hammerstein berichtet selbst, dass ein Mitarbeiter der Bonner Stadtamtsverwaltung, Herr Reucher, die Ausstellung besuchen wollte und ihn fragte: 'Haben Sie etwas dagegen, wenn ich auch als Nichtjude komme? Ich möchte auch sehr gern meine beiden Jungen mitbringen – wo sollen sie denn heutzutage noch etwas authentisches zu sehen bekommen? Ich möchte auch nur kurz und unauffällig kommen und bitte sprechen Sie gar nicht darüber.' Und so hielt er es und kam und zeigte seinen Söhnen unsere Schätze. Das Buch der Nachbargemeinde Meckenheim war dabei mit einem farbig ausgemalten Segensspruch auf ‚‘Napoleon, Kaiser der Franzosen‘ und einem Trauergebet auf 'Luise, die Zierde der Königinnen'– natürlich alles in Hebräisch. (Shiloni 1998:277).
Die Schüler schliefen nachts in der Schule und bewachten die Ausstellung. 1935 war dies noch möglich. Nur zwei Jahre später wäre dies in Bonn nicht mehr möglich gewesen.
1937: Finanzielle Schwierigkeiten, Beschlagnahmungen der Gestapo, Wanderverbote und die letzten freien Sommertage
Die Mehrheit der Schüler verließ die Schule zwischen 1936 und 1938 und konnte ins Ausland emigrieren. 1937 wurde die Situation für die Schule immer schwerer. Die Gestapo beschlagnahmte das Gebäude für kurze Zeit im Jahr 1937.
Dokumente zur Schließung der Schule durch die Geheime Staatspolizei 1937
Das Spielen im Garten wurde aus Gründen der Vorsicht 1938 eingestellt, die Jalousien waren herabzulassen und es wurde nur noch bei elektrischem Licht unterrichtet. Um die Kinder vor antisemitischen Angriffen zu schützen, begleiteten die Lehrer die Schulkinder zum Bahnhof.
Hammerstein berichtet in seinen Erinnerungen: "1937 durften wir keine Wanderungen mehr machen, weil es für jüdische Kinder verboten wurde mit der Bahn zu fahren. Es war auch immer problematischer, etwas mit den Kindern während der Ferien zu unternehmen, weil sie sich nicht frei bewegen konnten, wie die christlichen Kinder (Shiloni 1998: 276).“
Aber Grossmann mietete für die Schüler noch im Sommer 1937 ein jüdisches Landschulheim bei Düsseldorf an, wie man den Schülern sagte - eigentlich war es ein Haus, das ehemaligen jüdischen Frontsoldaten gehörte - und erwirkte eine Sondererlaubnis bei der Polizei für die Bahnfahrten. Für die Unterstufe bekam Shiloni von den Eltern eines Kindes ein großes Haus in Bonn mit Garten und Badebecken zur Verfügung gestellt. So verbrachten die jüngeren Schüler ihre Sommerschulzeit „auf einer Wiese in Badebekleidung, mit Planschen in der Paus“, berichtete Shiloni 1980 (zit. Nach Vortrag im Rahmen der Begegnungswoche 1980). Dieses Haus in Bonn wurde auch noch im Herbst für den Unterricht genutzt. „Dann kam Sukkot [das jüdische Laubhüttenfest] und eine jüdische Möbelfirma, die noch nicht zugemacht hatte, gab uns das ganze wertlose Holz und wir bauten daraus eine Sukka. Alle Kinder haben mitgemacht, Nägel eingeschlagen und die Sukka geschmückt (Shiloni 1998: 275).“
Für viele Kinder der Schule würden es die letzten Sommerferien ihres Lebens sein. Aber die Volksschule war nicht nur von großer Bedeutung für die Kinder, sondern auch für die jüdische Gemeinde. Erna Toeplitz, die Ehefrau von Otto Toeplitz, beschrieb den Einfluss der Schule im Rückblick wie folgt: „Der Geist der Schule, Festlichkeiten und Veranstaltungen schufen ein nie gekanntes Gefühl von Zusammengehörigkeit in der Gemeinde, das den Menschen in den ersten Hitlerjahren Mut und Haltung gab. (Toeplitz, Erna: Das kulturelle Leben seit 1933, Skript in der Gedenkstätte Bonn).“
Deportation der Bonner Juden ins Ghetto-Sammellager in Endenich
Sehr bald würde sich alles ändern, in großer Zahl mussten die jüdischen Bürger Bonns ab Ende 1936 die Stadt verlassen. Die Schülerzahlen sanken. Waren es 1935 noch rund 90 Schülerinnen und Schüler, sank die Zahl bis 1939 auf 32 Schülerinnen und Schüler. Der Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 15. November 1938 verbot jüdischen Kindern den Besuch von deutschen Schulen, wobei aber weiterhin an der Schulpflicht jüdischer Kinder festgehalten wurde. Die öffentlichen Anfeindungen und Diskriminierungen der Schülerinnen und Schüler nahmen zu. Shiloni unterrichtete die Schulkinder auch den Umgang mit dem Luftgewehr, um ihr Selbstvertrauen zu stärken. 1938 wurde das Vermögen der Schule durch die Gestapo eingezogen.
Ab Juni 1941 erfolgte die Deportation der Bonner Juden ins Ghetto-Sammellager in Endenich. Die Nazis nutzen das ehemalige Benediktinerkloster „Zur ewigen Anbetung“ als Lager und auch die Private Jüdische Volksschule wurde dorthin zwangsverlegt. Der Schulunterricht fand von nun an im Speisesaal des Lagers statt. Unter diesen provisorischen Umständen lernten im November 1941 noch 27 Kinder. Doch dann begannen im Dezember die Deportationen in die Vernichtungslager und die Zahl der Schülerinnen und Schüler sank bis Mai 1942 auf 13 herab. Schließlich verboten die Nationalsozialisten ab den 1. Juli 1942 die Beschulung von jüdischen Kindern und ordneten die Schließung aller jüdischen Schulen an. Doch diese Anordnung hatte nur geringe Auswirkungen für die Schülerinnen und Schüler der Bonner Volksschule, denn der letzte Deportationszug verließ die Stadt am 27. Juli 1942 über Köln in Richtung Theresienstadt.[1] Von den letzten fünfzehn Schülern und Schülerinnen überlebte nur Anneliese Winterberg den Holocaust.
Wiedersehen in Bonn und Israel
Einige Schülerinnen und Schüler, die rechtzeitig auswanderten, trafen sich in den 1980er Jahren in Bonn wieder oder in Israel.
Hans Hammerstein (Mitte) mit seinem ehemaligen Bonner Schüler Willy Field und Frau in Nahariya (Israel) 1983, dieses Foto befindet sich auch auf der Internetseite des virtuellen Brückenhofmuseums: https://virtuellesbrueckenhofmuseum.de/vmuseum/historie/zeige_objekt.php?auswahl=12877&suche=&reihe=-12850-12877-12921-12875-12876-12873, zuletzt aufgerufen am 23.12.2021 und wurde dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt.
Shiloni in Nahariya (Israel) am 6.5.1988
Shiloni in Nahariya (Israel) am 6.5.1988
Shiloni in Nahariya (Israel) am 2.11.1991
[1] Vgl. Schmitz, Irmgard: „Ein nie gekanntes Gefühl der Zugehörigkeit“: die Private Jüdische Volksschule, In: Heid, Ludger/ Schoeps, Julius H. (Hrsg.): Wegweiser durch das jüdische Rheinland, Berlin, 1992, S. 50
[i] Darstellung auf dieser Internetseite wurde von Esther Gardei und Tizian Holzbach gemeinsam erstellt. Die hier dargestellten Informationen und Quellen stammen aus der Akte zur Privaten Jüdischen Volksschule in der Gedenkstätte Bonn. Alle hier zitierten Quellen befinden sich in der Gedenkstätte unter der Signatur: P40/2460]. Die einzelnen Dokumente haben teilweise keine eigenen Signaturen, befinden sich aber alle in der angegebenen Akte. In der Gedenkstätte werden die Briefwechsel zur Schulgründung, die Schülerstatistiken und Berichte der Zeitzeugen aufbewahrt, die freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden. Die Gedenkstätte Bonn berichtet über die Private Jüdische Schule auch in ihrer Dauerausstellung. Als Basis für die Erstellung dieser Internetseite dienten auch die Berichte des Schulleiters selbst, der seine Erinnerungen auch selbst niederschrieb und veröffentlichte: Yisrael Shiloni: Das Mögliche und das Unmögliche. Erinnerungen. Tefen 1998, und auch anlässlich der Begegnungswoche über die Schule sprach: Ysrael Shiloni: Erinnerungen in Bonn, Vortrag gehalten anlässlich der Begegnungswoche in Bonn 1980. Dieses Manuskript befindet sich ebenfalls in der Sammlung der Gedenkstätte Bonn. Wichtig zu erwähnen sind auch die folgenden wissenschaftliche Publikationen zur Schule, an denen sich der Bericht orientierten konnte. So folgen wir hier insbesondere der Darstellung von Sophie Buchholz, die sehr ausführlich die Geschichte der Schule chronologisch untersuchte und die Biographie von Hans-Herbert Hammerstein / Yisrael Shiloni aufgearbeitet hat. Sophie Buchholz: Hans Herbert Hammerstein/ Yisrael Shiloni. Eine pädagogische Biographie. Berlin 2008; Irmgard, Schmitz: Bonn. In: Julius Schoeps (Hrsg.): Wegweiser durch das jüdische Rheinland. Berlin 1992, S. 38-54.; Hintergrundinformationen auf der Internetseite des Jüdischen Museums Berlin: Dominic Strieder (2018), Der Ausschluss jüdischer Kinder aus den öffentlichen Schulen im NS-Staat. Was eine unscheinbar wirkende Postkarte vom 23. November 1938 alles verrät. URL: www.jmberlin.de/node/5913.
[ii] Das Bild wurde freundlicherweise vom Virtuellen Brückenhofmuseum zur Verfügung gestellt. Hier finden Sie weitere Dokumente und Fotos zur Geschichte des Judentums im Rheinland in Form eines großen Internetarchivs: https://virtuellesbrueckenhofmuseum.de/vmuseum/historie/zeige_objekt.php?auswahl=12877&suche=&reihe=-12850-12877-12921-12875-12876-12873.